Irgendwann im Jahre 1967 wurden französische Cineasten Zeuge eines wahrlich seltenen Ereignisses. Fritz Lang, bekannt für seine Antipathie gegenüber dem erotischen Genre, wohnte in Paris der Vorführung eines Sexfilms namens NECRONOMICON bei. Begleitet wurde er von Howard Vernon, einem der Hauptdarsteller, mit dem Lang seit ihrer Zusammenarbeit an DIE 1000 AUGEN DES DR. MABUSE (1960) eine enge Freundschaft verband. Obwohl Lang bislang aus noch jedem Erotikstreifen vor dessen Ende flüchtete, überredete er Lang, sich den Film anzusehen, den er für ein kleines Meisterwerk hielt. Entsprechend war es schon etwas ganz besonderes, als Vernon den Regisseur noch während des Abspanns entspannt in seinem Kinosessel verweilen sah. Lang gab kurz darauf ein Statement ab, das Geschichte machte. Er hielt NECRONOMICON für ein "wunderhübsches, ästhetisches Stück Kino, das tatsächlich erotisch wäre und nackte Haut nicht wie in einem Schlachthaus präsentiere."

Mit seinen klassischen, surrealen Drehorten in Lissabon, der atmosphärischen Photographie und den eleganten Kostümen von Karl Lagerfeld war NECRONOMICON sicherlich nicht der übliche "Skin-Flick", den das Publikum zu jener Zeit erwartet hätte. Es war keine Komödie und auch kein Schmuddelfilm. Es war ein düsteres, romantisches Erotikmärchen für Erwachsene, gleichermaßen provokativ wie ambitioniertl.
"Wir zeigten Zwerge, betörende Frauen mit Lederpeitschen, S&M Bühnenshows und gewagte Szenen, die zu jener Zeit noch unbekannt waren", sagte Produzent Pier A. Caminneci. "Jemand mußte den Stein einfach ins Rollen bringen". NECRONOMICON sorgte 1967 während seiner "skandalumwitterten" Premiere bei den Filmfestspielen in Berlin für eine Menge Wirbel. Nach seiner Umbenennung in SUCCUBUS für den englischsprachigen Markt wurde der Streifen weltweit ein erstaunlicher Erfolg. NECRONOMICON ist zweifellos Jess Francos gelungenste Arbeit. Eine der wenigen seiner mehr als 150 Filme umspannenden Karriere, in der er sein ganzes Talent und seine Vision gebündelt auf die Leinwand transportieren konnte, ohne sich in seinen Obsessionen zu verlieren. Sein einzigartiger Stil und sein Augenmerk für laszive Atmosphäre finden sich ebenso wie sein späteres Markenzeichen: die Vorliebe für eigenwillige Erotik und weibliche Dominanz. Mit der französischen Schauspielerin Janine Reynaud war es erneut eine "starke" Frau, die Francos Leinwand im Sturm eroberte. Ihr Gesicht, ihre Bewegungen und ihr "Stil" waren Vorgabe für die starken, tödlichen Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, die in Francos späteren Filmen von Soledad Miranda und Lina Romay verkörpert wurden.
Vom Erfolg des Films ermutigt, behielten Pier A. Caminneci und sein Partner Adrian Hoven einen Großteil des erfolgreichen Teams hinter NECRONOMICON für ihre weiteren Produktionen bei. In WIE KURZ IST DIE ZEIT ZU LIEBEN/HOW SHORT IS THE TIME FOR LOVE kehrt Reynaud als verführerische Geliebte eines in kriminelle Machenschaften verwickelten Rennfahrers zurück. Offiziell als Regiearbeit Camineccis gelistet, war Gerüchten zufolge der wahre Verantwortliche Regisseur/Hauptdarsteller Michel Lemoine (Reynauds damaliger Ehemann).

In Ramon Comas’ IM ZEICHEN DES ROTEN SKORPION/DEATH ON A RAINY DAY, eine kurzweilige Parodie auf die boomende James Bond Film-Welle, bekämpft Adrian Hoven den teuflischen Dr. Kung und sein Gefolge ohne die freudigeren Aspekte im Leben eines Superagenten zu vernachlässigen. Und in GEBISSEN WIRD NUR NACHTS/THE VAMPIRE HAPPENING, einer sexy Vampir Komödie mit Ferdy Mayne (Graf Orlock aus Polanskis TANZ DER VAMPIRE), oblag es dem berühmten Hammer-Regisseur Freddie Francis, das Saugen von Blut und anderen Körperflüßigkeiten in Szene zu setzen. In der Landschaft deutscher Filmproduktionsfirmen war die Aquila Film einzigartig. Entschieden kommerziell auf der einen Seite, war da noch etwas, das nicht so recht zu den anderen Vertretern des Wirtschaftswunder-Kinos passen wollte. Aquila drehte Filme für den internationalen Markt—mit vielen schnellen Autos, luxuriösen Damen, einer gehörigen Dose Sex & Gewalt—und sie drehten sie mit Klasse und Stil, voller eigenartiger Einflüsse und subversiven Ideen, die nur ein Auteur wie Franco mit seinem internationalen Ensemble erdacht haben kann.
Obwohl keine von Camineccis späteren Produktionen des Erfolg von NECRONOMICON wiederholen konnte, glänzte in allen die jazzige, surreal horrotische Musik des holländischen Jazz Komponisten Jerry Van Rooyen. Trotz der oft geringen Budgets der Filme waren seine Scores nicht einfach nur musikalische Untermalung von Bildern, sondern erfolgreicher Versuch, eigenständige, eingängie Musik zu schreiben, die zweifellos Wertschätzung jenseits des Soundtrackghettos verdient. Treibendes Schlagzeug, fetzende Trompeten, romantische Violinen, alles kombiniert zu einem wilden, swingenden 60er Jahre Acid-Jazz Cocktail, der in seiner Qualität seinesgleichen sucht.

Van Rooyen komponierte nach seiner Zusammenarbeit mit Aquila nie wieder fürs Kino. Es war eine neue Erfahrung für den Musiker, an die er aus reinem Zufall geriet. Caminneci, ein begeisterter Jazz Fan, traf Van Rooyen—damals Leiter einer bekannten deutschen Radio Big-Band—auf einer Party und heuerte ihn nach kurzem Gespräch vom Fleck weg an. Ein wahrer Glücksfall für den Produzenten und seine Filme. Wie im wahren Leben sind die besten Dinge oft nichts als reiner Zufall.